The Wise Man doth not hoard. The more he giveth, the more he hath
Einer der härtesten Sätze der Welt, dachte ich beim ersten Sehen.
Unter dem Titel STYRIA BIZARRE übermittelt an den Indischen Winzer entweder von Abgeordneten des ehemaligen Waldschreibers aus Feistritzwald, Forsthaus Frauenwald, oder von einem Mitarbeiter des Systems („die Mutter“) Brueterich. (ich tippe auf jemanden von ganz oben.)
*
Die Lieskes, mit denen ich Identität teile auf facebook, haben jetzt genau 1111 Freunde. Ich habe angeregt, es dabei zu belassen, facebook zu verlassen, aufzubrechen und endlich dem Sonnenaufgang entgegen zu gehen. Das hatte bald eine Mutter der Lieskes offenbar gut gefunden und den Daumen-rauf-Button gedrückt. Und zwar, nehme ich jedenfalls an, die echte Mutter des David (und dann auch noch der Vater) und das ist doch ein bißchen komisch und löst wunderliche Gefühle aus. Man fragt sich, ob da Verarschung geschieht und mit Gefühlen gespielt wird.
Ich kann es nicht besonders raffiniert leider, |für meinen Fall| ausschließen.
(Vielleicht sind die Mütter auch viel ausgekochter, als man sich vorstellen kann, man selbst vergleichsweise naiv. Glaubte ich auch.)
True speech is not elegant; elaborate speech is not truth. Weiß ich nicht.
Oder jetzt nicht das Problem.
Mein Wohnzimmer ist zum Bilder malen eigentlich zu vollgestellt und klein. Das ist ein Problem. Obwohl ich es trotzdem irgendwie mache, will ich für die nächsten 2, 3 Monate einen Raum mieten, um für die Ausstellung in Brüssel zu arbeiten. Jetzt habe ich mir gestern einen angesehen, in Reinickendorf, und weiß überhaupt nicht, wie ich mich dazu verhalten soll, bzw. wie ich überhaupt nur erkennen könnte, was ich mir dazu denke und mir sage. Ich versuche an diesen Raum zu denken und ob ich da wohl was zustande brächte und dann: Leere. Außerdem muß ich dringend Bewertungen, zumindest Einschätzungen über Zulassungsarbeiten für das Staatsexamen an bayerischen Gymnasien hinschreiben und kann es nicht. Und zwar kann ich es so sehr nicht bis zum Magenkrampf und brauche, um herauszufinden, warum es mir derart schwer fällt, um wenigstens das zu formulieren, im Falle der Zulassungsarbeiten jetzt schon über 6 Wochen. Nun verlangt der Chef nach Antworten, der Mann, der den Raum vermieten will, wartet auf meine Entscheidung, die Werkstatt will wissen, wie ich mir die Ständer für Skulpturen vorstelle, die Anfang Juni hätten fertig sein sollen und nichts daran ist auch nur an einer einzigen von, sagen wir sechs, sieben Stück fertig. Während die Angestellten des Ortes, an dem sie ausgestellt werden sollen, zu Mehreren sind und jeden Tag ca. 3, manchmal auch 8 Emails schreiben und sehr höflich nach Titeln, Maßen, Materialien, Fotografen, Rechnungen, Transportunternehmen, Reisewegen, Unterbringung fragen. Beantwortet man eine Frage, schießen schon drei neue hervor, wie dem Plattwurm, dem man den Schwanz abtrennt im Nu ein zweiter Kopf nachwächst, der sofort anfängt zu sprechen. Wenigstens habe ich sie dazu gebracht, Emails zu schreiben. Anfangs haben sie noch angerufen. Fast unmöglich überhaupt nur das Telefon abzuheben, wenn eine ausländische Nummer erscheint und dann englisch telefonieren müssen mit Leuten, die man gar nicht kennt. D.h. ich kann es wahrscheinlich für deren Empfinden so leidlich bis ganz okay, für mein Empfinden aber gar nicht.
September 2007
III. Leider muß nun täglich, beinahe stündlich mit dem Weggang der Mauersegler gerechnet werden. Vorgestern wurde ich ganz unruhig, da ich sie nicht mehr hörte. Gestern und heute waren sie aber noch da.
Die Mauersegler bedeuten mir so viel, daß ich hinging und tatsächlich den guten Goncourt darin korrigierte, die von ihm als kreischende Schwalben bezeichneten Vögel seien keine Schwalben, sondern in Wahrheit Mauersegler. Unangenehm, aber da es schon zum zweiten Mal passiert war, nahm ich die Peinlichkeit in Kauf, zumal sie ja ganz auf der Seite des Belehrenden bleibt.
(Besser kann ich es nicht.)
Einmal hätte ich fast Oswald Wiener korrigiert, der gesagt hatte: Das Ich ist rettungslos, statt Das Ich ist unrettbar. Aber ich habe mich nicht getraut ihm zu sagen, daß es nicht stimmt.
Am 28. Juli 2011 um 12:00 Uhr
Schluckbeschwerden
Ich verstehe nicht, was page 8 oder page 50 heißt und höre die Sendung des Caresalongs aus dem Gartenhaus der Akademie der bildenden Künste, München
4 days ago
http://soundcloud.com/fortsaegezahn
Am 28. Juli 2011 um 14:00 Uhr
Rote Johannisbeeren
Am 28. Juli 2011 um 15:00 Uhr
Am 28. Juli 2011 um 18:38 Uhr
André Butzer Interview in der haz
Sie haben ein großes Atelier auf dem Gelände einer ehemaligen Flugzeugfabrik in der Nähe Berlins. Sie sind international an Ausstellungen beteiligt. Ihre Werke erzielen beachtliche Preise. Sind Sie zufrieden?
Die Flugzeugfabrik liegt in Brandenburg, nicht in Berlin, das ist mir wichtig, weil man sich entfernen, nicht annähern soll. Umso weiter ich wegkomme, von mir und von den anderen, umso zufriedener bin ich.
Am 28. Juli 2011 um 19:31 Uhr
Unheimlich, wie exakt deine Voraussage ist. In Berlin-Süd scheinen schon alle Mauersegler abgeflogen zu sein.
Am 28. Juli 2011 um 20:54 Uhr
Hier sind noch welche! Ich könnte heulen.
Am 29. Juli 2011 um 15:52 Uhr
ich war heute noch gar nicht unten. Gestern auch nicht.
16:53 Das Einzige, was gut klingt (von all dem was ich in den letzten 1000 Stunden gelesen habe,) ist „sich entfernen.“
Am 29. Juli 2011 um 17:00 Uhr
Toll, die Website der haz! Habt Ihr die Wort-Links angetippt? Z.B. „Fallstricke“ führt zu „Knöpfe erinnern an Hakenkreuze“.
Am 29. Juli 2011 um 23:36 Uhr
Vorgeschlagene Routen
94,4 km, 19 Stunden, 10 Minuten
B1/B5 und B1
Fußgängerroute mit dem Ziel Küstrin, Polen
1. Von Gerichtstraße nach Südosten Richtung Hochstraße starten
240 m
2. Weiter auf Gartenstraße
Den Kreisverkehr passieren
1,8 km
3. Links abbiegen auf Torstraße
500 m
4. Rechts halten, um auf Torstraße zu bleiben
1,1 km
5. Weiter auf Mollstraße
850 m
6. Geradeaus auf Platz der Vereinten Nationen
220 m
7. Nach links abbiegen, um auf Platz der Vereinten Nationen zu bleiben
20 m
8. Nach rechts abbiegen, um auf Platz der Vereinten Nationen zu bleiben
290 m
9. Weiter auf Landsberger Allee
3,1 km
10. Rechts abbiegen auf Weißenseer Weg
750 m
11. Links abbiegen auf Herzbergstraße
2,2 km
12. Weiter auf Allee der Kosmonauten
160 m
13. Nach links abbiegen, um auf Allee der Kosmonauten zu bleiben
350 m
14. Nach rechts abbiegen, um auf Allee der Kosmonauten zu bleiben
15 m
15. Nach links abbiegen, um auf Allee der Kosmonauten zu bleiben
1,8 km
16. Nach rechts abbiegen, um auf Allee der Kosmonauten zu bleiben
270 m
17. Rechts abbiegen auf Luise-Zietz-Straße
180 m
18. Links abbiegen auf Marchwitzastraße
26 m
19. Rechts abbiegen auf Luise-Zietz-Straße
250 m
20. Links abbiegen auf Öseler Str.
600 m
21. Weiter auf Rapsweg
550 m
22. Rechts abbiegen auf Blumberger Damm
1,1 km
23. Links abbiegen auf Alt-Biesdorf/B1/B5
600 m
24. Rechts abbiegen auf B1/B5
13 m
25. Links abbiegen auf Alt-Biesdorf/B1/B5
Weiter auf B1/B5
3,7 km
26. Links abbiegen auf Alt-Mahlsdorf/B1/B5
11 m
27. Nach rechts abbiegen, um auf Alt-Mahlsdorf/B1/B5 zu bleiben
Weiter auf B1/B5
1,2 km
28. Links abbiegen auf Neuer Hönower Weg/L339
42 m
29. Rechts abbiegen auf Alte Berliner Str.
900 m
30. Links abbiegen auf Berliner Str./B1/B5
Weiter auf B1/B5
5,8 km
31. Rechts abbiegen auf Frankfurter Chaussee/B1/B5
12 m
32. Nach links abbiegen, um auf Frankfurter Chaussee/B1/B5 zu bleiben
Weiter auf B1/B5
25,9 km
33. Links abbiegen auf B168 (Schilder nach Eberswalde/Müncheberg)
2,1 km
34. Im Kreisverkehr erste Ausfahrt (Ernst-Thälmann-Straße/L25) nehmen
400 m
35. Nach rechts abbiegen, um auf Ernst-Thälmann-Straße/L25 zu bleiben
54 m
36. Nach links abbiegen, um auf Ernst-Thälmann-Straße/L25 zu bleiben
Weiter auf L25
Den Kreisverkehr passieren
2,6 km
37. Links abbiegen auf B1
12,0 km
38. Bei Waldsiedlung Eichendamm rechts abbiegen (Schilder nach Seelow-Zentrum/Seelower/Höhen)
1,1 km
39. Geradeaus auf Diedersdorfer Str.
1,0 km
40. Weiter auf Berliner Str.
650 m
41. Weiter auf Küstriner Str.
2,8 km
42. Rechts abbiegen auf B1
Sie sind jetzt in Polen
15,1 km
43. Weiter auf Graniczna
300 m
44. Rechts halten, um auf Graniczna zu bleiben
650 m
45. Links abbiegen auf gen. W?adys?awa Sikorskiego
88 m
46. Weiter auf Route 31
950 m
47. Links halten auf gen. W?adys?awa Sikorskiego
45 m
Küstrin
Polen
Am 29. Juli 2011 um 23:30 Uhr
Ja. „Künstler“ führt zu Künstlern aus der Region, die sich bei der haz registrieren haben lassen.
Am 30. Juli 2011 um 01:00 Uhr
Nach Polen schaffe ich es nicht mehr. Ich werde mich hier in aller Ruhe totliegen und totessen. 3 Tage habe ich schon.
Am 30. Juli 2011 um 09:47 Uhr
schöne, angemessene Würdigung für Manfred.
http://www.taz.de/!75248/
das selten gewordene Gefühl einer luxuriösen Leseerfahrung
„… durch eine eindringlich unakademische Schreibweise freundlich bestimmter Verblüffungspolemik. Sie folgt den eigenen ästhetischen Prämissen, ist nämlich turbulent, unterhaltend und ganz unbürokratisch.“
Welly welly welly welly welly welly well!
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15:09
Neue Hoffnung in tristen Zeiten für Versprengte und individuell Gepeinigte, die erdrückt von der lähmenden Wirkung der Regentschaft einer Sprache der Empfindungslosen, der unüberschaubaren Masse technokratischer Kulturtextproduktion sich ermattet dahinschleppen, weil sie denken müssen: so ist das halt, so wird geschrieben.
Ich finde ein passendes Zitat von 2007, aus „Die letzten Menschen“
Das Geschäft der Geisteswissenschaft, das Text und Text und Text nach sich zieht, dann ist das so, dann ist das so und dann ist das so: eine klappernde Mühle, in der produziert und produziert und geschlossen und geschlossen wird, aber nichts bei raus kommt, außer neuer Text natürlich, den die lesen, die sowas eben schreiben und meistens nichtmal die. – Nein, stimmt nicht?
Daß es kaum mal einen Text gibt, der (mehr durch die Art der Sprachverwendung, als durch den Gegenstand) etwas so trifft, daß es auch was bewegt. Die meiste Produktion (man „kennt“ ja nicht viel im Einzelnen, eher eine Gesamtschau aus einzelnen Ankündigungs-/Werbetexten und Rezensionen, denkt sich seinen Teil und hat auch jedes Recht dazu, behaupte ich, außer es beweist einem jemand das Gegenteil) also wenig bis nichts von dem behandelt wird, was ich dringend selber wissen will, und noch weniger so, daß ich es wissen will. Selten in einer Weise, die den Eindruck macht, da sucht jemand nach Worten und macht das Suchen zu einer persönlichen Angelegenheit, bzw. er macht es nicht dazu, es ist eine Selbstverständlichkeit, sonst läßt man es gleich ganz sein. weil es ihm um was geht und man sich dann automatisch verpflichtet fühlt es so gut zu machen, wie man es halt kann.
(Mehr ist nicht verlangt)
Wem es nicht um was geht, der soll nicht schreiben. Um was es gehen soll, soll sich keiner von einem anderen antragen lassen.
– usw. ich mich jedenfalls kaum gemeint, involviert und aufgefordert fühle, mir die meiste Textproduktion eben eigentlich nahelegt, daß ich recht allein bin. Oder zu verdreht mit meinem Wunsche. So sind die meisten Theorietexte eine Last. Man sitzt davor wie vor einer Hausaufgabe, ich versuche es mir reinzuzwingen und schaffe nur 6 oder 10 Seiten. Es geht einfach nicht weiter, weil es sich mit nichts in mir verbindet. Dabei entsteht ein Schamgefühl, weil ich (manchmal) dem Autor gerecht werden will und Schuld und Unfähigkeit bei mir suche und so ein kaum angefangenes Buch nicht souverän weglegen kann, sondern genierlich.
(NARRATIONEN gegenüber fühle ich keine Verpflichtung und ich schäme mich nicht, sie nicht zu beachten.)
Wie ich Deutschland hysterisieren angefangen habe, war es gleich anders, man fühlt sich frei, wach, ernstgenommen und beschenkt und weiß auch wieder, daß man selbst nicht der Komische und Falsche ist.
(ich weiß das, obwohl ich immer noch nicht weitergelesen habe. Auch der behandelte Gegenstand ist mir zwar nicht unwichtig, aber doch weniger wichtig, als deine Behandlung. Ich nehme ihn wichtig als Anlaß und Aufhänger des Buches.)
Ernst Arno Eugen Harras
Der Gegenstand 8/2011
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das gefällt mir auch sehr
Am 30. Juli 2011 um 12:49 Uhr
Samstag 30.7.2011 20 Uhr
Zu Gast im Filmclub 813, Köln:
Werkstattkino München – Carte Blanche
MONARCH
BRD 1979, Farbe, 84 Min.
Buch & Regie: Johannes Flütsch, Manfred Stelzer – Kamera:
Johannes Flütsch, Manfred Stelzer – Musik: Manfred Stelzer
Darsteller: Otto Wendlandt, Ilse Bahrs
„Die Geschichte eines Mannes, der sich darauf spezialisiert hat, ‚Mint‘ Spielautomaten auszuplündern, in seinem Beruf völlig aufgeht und menschliche Beziehungen für einen Luxus hält, den er sich nicht leisten kann. Der fesselnde dokumentarische (Erstlings-)Film ist, über das Porträt eines Außenseiters hinaus, eine kritische Darstellung der von Leistung, Besitzdenken und Konsum beherrschten westlichen Gesellschaft.“
Lexikon des Internationalen Films
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Wir machen auch einen Filmabend heute.
Und sehen
Weil der Mensch ein Mensch ist, von Frauke Finsterwalder, 2007
und BRITTA von Berengar Pfahl, 1978.
„Problematische Liebe zwischen Disco und Dünen.
Discjockey Boris ist der ungekrönte King einer norddeutschen Kleinstadt. Nur die 19-jährige Bundesbahnangestellte Britta hält nicht viel von ihm. Bis er sich immer heftiger um sie bemüht und ihr sogar mit seinem Motorrad in den Spanien-Urlaub nachfährt. Da wird sie schwach und prompt schwanger. Doch Boris verpflichtet sich lieber für vier Jahre bei der Bundeswehr und hofft auf diese Weise einer drohenden Ehe zu entkommen.“
Am 30. Juli 2011 um 14:01 Uhr
„Initiative comes to thems that wait.“
Am 31. Juli 2011 um 00:11 Uhr
kann sein, daß ich das schon mal geschrieben habe: absoluter glücksmoment, als mich mein vater damals darauf hingewiesen hat, heute abend käme im fernsehen ein neuer film von afgana behr. fassungsloses glück.
Am 31. Juli 2011 um 02:35 Uhr
Ja, hattest du schonmal gesagt, kannst du aber gerne noch 10.000 mal sagen. Britta anzusehen war leider verhältnismäßig dröge. So daß ich mich ein bißchen schämte, besonders vor den Nicht-Deutschen Zusehern, weil ich irgendwie im Glauben war, ich tische ihnen was besonders Feines auf, prächtige Anschaulichkeit Norddeutschland 1978, Ausstattung, Klamotten, Habitus etc. Als Kind war mir gar nicht aufgefallen, wie schlecht, langatmig und vermufft die Dialoge sind. Gestelzt und improvisiert ist ja eigentlich gut, aber es war nicht so richtig aufgeladen. Afgana Behr zog geistig praktisch keinen Hering vom Teller.
Am 31. Juli 2011 um 19:45 Uhr
krasse Story (so krass auch nicht) (Herr Hasch und Herr Onißeit)
FRAGE: Herr Hasch, Sie können sich sicher noch gut an den 4. November 1986 erinnern.
ANTWORT: Ja. Am Tag zuvor hatten vier Freunde und ich am Mariannenplatz in Kreuzberg eine Kunstaktion gestartet. Wir haben mit Fassadenfarbe einen weißen Strich auf die Mauer gemalt, in Schulterhöhe, so breit wie ein Farbroller. Wir wollten einmal ringsherum malen und dachten, dass zwei Wochen Ferien dafür reichen. Am ersten Tag sind wir bis zum Lenné-Dreieck am Tiergarten gekommen. Am nächsten Morgen machten wir weiter, das Brandenburger Tor war schon in Sichtweite, als ich plötzlich in einen Gewehrlauf sah und die Worte „Hände hoch! Stehen bleiben! Mitkommen!“ hörte.
FRAGE: Das kam für Sie völlig überraschend?
ANTWORT: Ja. Einer meiner Mitstreiter konnte noch in den Tiergarten springen, die anderen waren nicht in der Nähe. Ich habe spontan gefragt: „Wer sind denn Sie?“, aber dann sah ich die Uniform und hörte den Dialekt, und da war mir alles klar. Abhauen ging nicht mehr, also bin ich mit denen mit. Ich dachte, nur nicht provozieren, und wenn ich erkläre, was wir hier machten, würden die mich schon bald gehen lassen. Ich war ja jetzt West-Berliner.
FRAGE: Wo kamen die Grenzer auf einmal her?
ANTWORT: Durch eine Tür in der Mauer im Lenné-Dreieck. Wir wussten, dass es diese Türen gab, aber nicht, wo. Durch die vielen Graffiti und Malereien waren die nur schlecht sichtbar. Die Mauer stand ja rund fünf Meter eingerückt auf Ost-Berliner Gebiet, und manchmal waren hier auch Grenzer zu sehen, die Patrouille liefen oder eine Zigarette rauchten.
FRAGE: Was geschah dann mit Ihnen?
ANTWORT: Ich wurde im Grenzstreifen in einen Wachturm gebracht und erst mal eingeschüchtert. Ich bekam Tritte, es hieß „Los, du Arschloch“ und „Hände an die Wand!“. Ich war aber ganz ruhig. Ich hatte keine Angst. Die wollten wissen, welche Organisationen uns finanzierten, und die Namen meiner Mitstreiter. Ich habe mir Namen ausgedacht und nichts preisgegeben. Dann haben sie mich warten lassen, kein Essen, keine Zigarette. Das war ja Strategie: Soll er erst mal runterkommen von seinem hohen Ross demokratischer Freiheiten.
FRAGE: Wann haben Sie gemerkt, dass es länger dauern könnte?
ANTWORT: Am Abend landete ich bei der Stasi. Da hieß es dann, dass ich des ungesetzlichen Grenzübertritts nach Paragraph 213 beschuldigt bin. Das war der gleiche Paragraph wie für Republikflucht, obwohl ich ja Bundesbürger war. Darauf standen bis zu acht Jahre Haft, und als ich das hörte, war es vorbei mit meiner Gelassenheit. Ich habe geschrien und, als die erste Wut weg war, auch geweint. Ich war gerade erst raus aus der DDR, und nun saß ich wieder hier. Ich dachte an meine Freundin, wir erwarteten ein Kind. Ich hab denen da wohl zu viel Emotionen gezeigt, aber das war mir in dem Moment völlig egal.
FRAGE: Zu wie vielen Jahren wurden Sie dann verurteilt?
ANTWORT: 20 Monate wegen ungesetzlichen Grenzübertritts in schwerem Fall und dazu 18 Monate Reststrafe aus der DDR. Ich hatte dort noch Bewährung, war 1985 vorzeitig aus dem Knast freigekauft worden. Zusammen also mehr als drei Jahre.
FRAGE: Weshalb hatten Sie in der DDR im Gefängnis gesessen?
ANTWORT: Ich komme aus Weimar, dort gab es eine ziemlich aktive Friedensbewegung, der ich mich mit 15, 16 Jahren angeschlossen hatte. Mein Vater war Professor an der Musikhochschule, aber nicht in der SED, meine Mutter war katholisch und gab privat Klavierstunden. Ich war von der Frankfurter Schule inspiriert, interessierte mich für Punks, trug lange Haare und nahm am Montagskreis teil, das war ein Treff junger Leute, die über die Gesellschaft und Umweltzerstörung diskutierten. Wir haben politische Aktionen gemacht, Kunst und Musik, provokativ und sichtbar, aber rechtlich nicht angreifbar. Dann kam eine Flugblatt-Aktion gegen die Kommunalwahl 1984, da haben sie uns erwischt. Ich bekam zweieinhalb Jahre wegen „staatsfeindlicher Hetze“ und „ungesetzlicher Verbindungsaufnahme zu feindlichen Kräften“. Denn nach der Verhaftung war ein Text in der „taz“ erschienen, in dem ich über uns berichtete.
FRAGE: Sie wurden dann aber schnell freigekauft?
ANTWORT: Eben nicht. Ich war so euphorisch, als die mir in der Haft das Angebot machten. Wolfgang Schnur, unser Rechtsanwalt, verstärkte meine Hoffnung. „Spätestens im September seid ihr drüben“, hieß es, kurz bevor wir im August nach Karl-Marx-Stadt in den Strafvollzug kamen. Egal, ob er später als IM enttarnt wurde, Schnur wirkte damals integer und glaubwürdig, er hat uns engagiert verteidigt. Einmal brachte er einen „Spiegel“-Artikel über uns mit, das machte Mut! Aber es hat dann noch halbes Jahr gedauert, das mir wie zehn Jahre vorkam.
FRAGE: Wo kamen Sie dann hin?
ANTWORT: Erst nach Gießen. Weil aber einer meiner Freunde schon in West-Berlin war, wollte ich dorthin. Transit ging nicht, weil ich noch keinen Pass hatte, also nahm ich das Flugzeug. Es war ein kompletter Kulturschock. Eben noch im DDR-Knast und jetzt auf dem Frankfurter Flughafen. Eine Freundin lud mich zum Essen ein, aber ich habe kaum was hinunterbekommen, es war auch für meinen Magen eine Reizüberflutung.
FRAGE: War der Westen so, wie Sie ihn sich vorgestellt hatten?
ANTWORT: Das Paradies war es sicher nicht, aber ich fühlte mich befreit. Es roch besser, es schmeckte besser, ich fühlte mich einfach besser. Ich war jung und wollte viel machen. Ich lernte dann ein paar Punks kennen, aber merkte schnell, dass ich doch auch anders war. Die waren oft extrem gelangweilt von den Verhältnissen, die ich gerade erst entdeckte und so spannend und interessant fand.
FRAGE: Und die Mauer hatten Sie darüber vergessen?
ANTWORT: Nein, man konnte ihr gar nicht entrinnen. Ich wohnte in der Görlitzer Straße; wenn ich zur Tür rauskam, war links die Mauer; lag ich im Park, sah ich vor mir die Mauer und drüben Ost-Berliner auf ihren Balkons sitzen. Kreuzberg war an so gut wie jeder Ecke begrenzt. Wir lebten täglich mit dieser Mauer, einige haben sie ignoriert, andere hat sie inspiriert, aber so richtig interessiert hat sich niemand dafür.
FRAGE: Die Leute hatten sich an die Mauer gewöhnt?
ANTWORT: Beim Bau 1961 war sie noch das kalte, graue, trennende Ding. Mit der Zeit aber wurde sie bunt bemalt, man sah die Bilder, aber nicht mehr die Mauer. Die Leute hatten sie akzeptiert. Ich spazierte oft an der Mauer entlang und versuchte, sie emotional fassen, aber das ging nicht. Es war so fremd. Ein ähnliches Gefühl hatte ich, als meine Mutter starb. Ich war 16 und wusste nicht, dass sie Krebs hatte. Eines Tages komme ich von einer Klassenfahrt, und da hieß es: Mutti ist tot. Es war einfach unfassbar.
FRAGE: Und dann beschlossen Sie, die Mauer wieder ins Gedächtnis zu rücken?
ANTWORT: Die Idee hatte Jürgen Onißeit, ihn kannte ich aus Weimar. Sein Bruder und zwei Freunde aus Weimar machten ebenfalls mit. Die Idee war, die Mauer wieder als das zu entblößen, was sie war: ein Ghetto-Wall, der nicht nur die DDR-Bürger einsperrte, sondern auch die Freiheit in West-Berlin einschränkte. Durch den weißen Strich sollten die Mauer und ihre Ausmaße wieder sichtbar werden. Wir bastelten uns Gipsmasken, um von den Grenzern nicht erkannt zu werden, nahmen einen Handwagen, Farbeimer, eine Kiste Bier, und los ging’s.
FRAGE: Jürgen Onißeit war in Weimar einige Zeit Stasi-Zuträger.
ANTWORT: Das kam erst letztes Jahr heraus. Ich war überrascht, aber nehme ihm das heute nicht mehr übel. Dennoch: Er hat daraufhin den Kontakt zu uns allen abgebrochen.
FRAGE: Wie kam die Strich-Aktion bei den West-Berlinern an?
ANTWORT: Wir wurden anfangs kaum beachtet. Zwei Bauarbeiter meinten, wir sollten doch den Unfug lassen und lieber einer alten Frau das Badezimmer streichen. Das war ein Beispiel für die pragmatische Beschränktheit, die hier herrschte. Einige beschwerten sich, dass der Strich die schönen Mauerbilder zerstörte. Denen ging es um Nutzwert. Dabei ist Kunst nicht der Nützlichkeit verpflichtet, sondern will eine Idee transportieren.
FRAGE: Und am ersten Tag lief alles glatt?
ANTWORT: Der Springer-Verlag, der ja direkt an der Mauer lag, ließ uns nicht auf sein Gelände, das war schon paradox, weil „BZ“-Mitarbeiter kurz darauf ein Interview wollten. Wir haben dann den Strich um das Gelände gemalt und Springer zum DDR-Gebiet erklärt. Brenzlig wurde es am Checkpoint Charlie, das war uns klar. Die Grenzer wollten uns greifen, schnappten auch zwei Farbeimer, die dummerweise auf ihrer Seite standen. Wir haben dann ganz schnell den Grenzstrich auf der Straße nachgezogen.
FRAGE: Da wussten Sie, dass Sie beobachtet wurden.
ANTWORT: Das war uns die ganze Zeit klar, aber doch nicht das Ausmaß. Nach meiner Verhaftung erfuhr ich, dass die dachten, wir wollten die Grenze revidieren, also West-Berlin größer machen oder einen Sprengstoffanschlag vorbereiten. So eine Paranoia!
FRAGE: Aber Ihre Erklärung half nichts.
ANTWORT: Nein, die waren schnell über meine Weimarer Vergangenheit im Bilde, und da war für die alles klar. Nach dem Urteil kam ich nach Bautzen, in eine Zelle mit Willi vom BND, der war Spion und hatte lebenslänglich. Die Haftbedingungen waren vergleichsweise leicht, wir waren ja Austauschobjekte. Nur Besuch war rar, meine Freundin konnte mich gerade zweimal sehen.
FRAGE: Wann kamen Sie wieder raus?
ANTWORT: Nach neun Monaten. Wolfgang Vogel, der den Austausch abwickelte, fuhr mich nach West-Berlin, in einem dicken Auto wie ein Diplomat, dabei kam ich doch gerade aus dem Knast. Angeblich wurden 500 000 Mark für mich bezahlt, aber das habe ich nur gehört. Ich hab zwei Büchsen Bier gekauft und bin zum Lenné-Dreieck gefahren. Dort sah ich den abgebrochenen weißen Strich. Phänomenal! Der hat mir also neun Monate Haft eingebracht. Ich hab eine leere Büchse rübergeworfen, aber schön den Fünf-Meter-Streifen eingehalten. Man weiß ja nie. Dann bin ich zu meiner Freundin gefahren. Mein Sohn war jetzt drei Monate alt. Ich habe leider die Geburt verpasst, aber nun war ich nicht länger nur auf dem Papier Vater, und das war ein sehr, sehr schöner Moment.
Mit Wolfram Hasch sprach Stefan Locke.
Wolfram Hasch ist heute Buchhändler und lebt in Berlin. Die Dokumentation „Der Weiße Strich – Vorgeschichte und Folgen einer Kunstaktion an der Berliner Mauer“ erscheint am 3. August im Ch. Links Verlag und kostet 19,90 Euro.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.07.2011, Nr. 30 / Seite 41
Am 31. Juli 2011 um 20:59 Uhr
Das Härteste aber ist: hier regnet es seit 6 Tagen ununterbrochen und wird nicht richtig hell – aber die Mauersegler sind immer noch da! Jedenfalls ein paar. Vielleicht die Alten, die nicht mehr mitkönnen.
Am 31. Juli 2011 um 22:40 Uhr