Quelle

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Gestern war ich zufällig in der Landesvertretung Niedersachsen beim Bund, Reden auf den mir nahezu unbekannten 70jährigen Künstler Giselher Schmidt anhören. Alles interessant, Ort, Abläufe, Rahmenhandlungen, der Anblick z.B. von feinen älteren Herrschaften in festlicher Kleidung, die trotzdem total knüsselig wirken usw. Jetzt kam schon eine blonde Frau zum Rednerpult heran, Staatssekretärin in gut sitzendem Kostüm, eher jung, begrüßt zuerst die Bundes- und Landtagsabgeordneten und gießt dann in freier Rede einen begeisterten, ferngesteuerten Sermon aus über die schöne Kunst als Intervention hier im Foyer der Landesvertretung und über die wunderbare Beglückung, die sie und die Kollegen empfunden hätten, jeden Morgen von diesem Skulpturenensemble begrüßt zu werden und anregende Gespräche darüber zu führen, und man sieht und hört sofort, daß diese Frau mit der Materie natürlich nichts, aber auch gar nichts zu tun hat und das ist ja wiederum gar nichts Besonderes oder Seltenes, sondern eher der quälende, schwer auszuhaltende Normalfall. – Ein Mann mit komisch schiefer halblanger Frisur kam von hinten und setzte sich in eine der vorderen Reihen; ich habe mir kurz heiß gewünscht, daß das ein Verrückter sei, der es nicht mehr aushält, es nicht mehr hinnehmen kann und eingreifen muß, die Kunst den Klauen der Widerrechtlichen entreißen muß.

Das hatte ich schon irgendwie eleganter im Kopf formuliert: Die Funktionsträger liefern verläßlich den Rahmen und garantieren durch eine automatisierte Verharmlosungs-, Einlullungs-, Einbettungstechnik, Freuen, Danken, Loben, Bonmot, daß innerhalb dieses Rahmens dann alles stattfinden kann, was Kunst genannt wird und selbst sein kann, was und wie es will, es bleibt garantiert absolut folgenlos.

Wir freuen uns so und sagen Dank, daß der Künstler uns mit seinem besonderen Blick auf die Welt bereichert, Dinge, die uns gar nicht mehr auffallen hinterfragt und sichtbar macht, – das was sie ungefähr immer sagen. Paßt auf alles, auch auf Literaten und Lyriker. Es kamen noch zwei andere Redner und dann der Hauptredner, eine Art Spezi vom Schmidt, schätze ich, der wollte es anders machen und wirklich was sagen und bringen und sagte dann so anthroposophisches Zeug, aber so vage, daß sich wahrscheinlich auch keiner irgendwie ernsthaft Sorgen machte, daß er gemeint sein könnte und speziell er irgendwas in Zukunft tun müßte oder fortan nicht mehr tun könnte.

Es war ein leicht unsicherer, sanfter Mann, ich hatte ihn gleich gern, hörte ihm auch gerne zu, plötzlich kippte was und ich hatte die Vorstellung, diese sanfte, liebe, an die Menschlichkeit der Menschheit appellierende Rede nähme niemals mehr ein Ende. Eutokraten oder Eukokraten, Eurokokken sollen alle werden. Ich habe das Wort nicht verstanden, Entschuldigung. In sich Kreativität, Askese und noch ein Drittes vereinigen, was ich ebenso vergessen habe, also so ähnlich wie die Kinder. So sollte man sein. Als Kinder wären wir noch so und so gewesen, offen und neugierig, hätten doch immer gefragt, warum? wieso? leider ginge es verloren. Laßt uns das bitte erhalten alle miteinander. – Na klar, kein Thema.

Nachher saßen wir dem Bundesfamilienministerium gegenüber vor einer Wein-Stube, ich meinte so sexuelle Status-Checker-Stimmung unter mittelalten Bessergestellten wahrzunehmen und wurde innerlich renitent, so blieben wir draußen auf einer Bank, es war dort kalt. Man merkte es aber erst beim Aufstehen, da war ich bereits steif wie ein Kerf.

Auf dem Weg nach Hause kam ich an dem Kiosk in der Chausseestraße vorbei, wo ich gerne halte weil da ein Kölscher bedient. Aber der war jetzt schon mehrere Male nicht da. Hoffentlich ist er nicht krank. Ich höre ab und zu ganz gern ein paar Worte warmes Rheinländisch.

2 Reaktionen zu “Quelle”

  1. ddu

    ich dachte, du hättest eher das reinigungspersonal im bundesvermehrungsministerium bei der nicht genehmigten lichtinstellationintervention beobachtet. wähnte mich auch, bei gelegentlich austretender kellnerin, nahezu allein beim steiffrieren.
    ich bin dann letztlich immer froh, wenn ich keinen irgendeine intervention mit aufbrechend aufwühlenden fragen in die intervention der feierlichkeit einbrechen sehe, ist mir doch dieses peinlichkeitsritual noch allzu bekannt aus gislehers kolloquien. ich denke dann eher immer, man muss das so und hier jetzt alles genau so lassen, und am besten schickst du etwas hunstharz darüber. ich kann mir eingriffe eigentlich nur noch als parallelbaustelle vorstellen, ist vermutlich nicht richtig, aber käme mir entgegen.

  2. admin

    Wir haben unterschiedliche Empfindungen! und Vorlieben wohl auch. Aber das macht ja nichts.

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