6.9.1991 (für dich und deine Oma)

6.9.1991-polaroid.jpg Fotos: Nicole Delmes geb. Neufert

Oliver Tepel bat mich vor einiger Zeit, ihm ein paar Fragen zu dem Foto hjm.jpgvon Hans Jörg Mayer zu beantworten, das im September 1991 entstanden ist.

Heute komme ich endlich dazu.
Ab sofort wird nicht mehr zurück geschaut, sondern nach vorne.

Eine Plus-Version erscheint in Organdy.

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1. Ein Bild aus einer zusehends idealisierten Zeit. Gleichwohl ein Dokument mit Aussage. Wie muß ich mir das Zustandekommen vorstellen. Ich meine: kam da ein Anruf oder wie funktionierte das.

Hierzu liegt mir folgende Erinnerung vor: Ich war mit Cosima im Kino, den Film weiß ich leider nicht mehr. Wo einer nachher auf einer großen Reklamezigarette hängt, die sich hin und her bewegt, der Roy Scheider [James Woods] sein könnte. Im schon dunklen Saal erzählt mir Cosima von Hans Jörg Mayers Vorhaben, den ich bis dahin nicht kannte. Man wüßte nicht, ob das was Gutes würde, sinngemäß, aber der Hans Jörg sei ganz in Ordnung und die Jutta und Charline von Heyl und Isabelle Graw machten wahrscheinlich auch mit und ob ich Lust dazu hätte. Ich hab nicht lange überlegt, ich fand das natürlich sofort super da eingeladen zu sein. Ich dachte: wenn die[se tollen frouwen] da mitmachen, kann es wohl nichts Schlechtes sein.

2. Ich habe den Eindruck, keiner mag sich auf dem Bild so recht wohl fühlen. Vielleicht wirkt es deswegen auch überzeugend nicht völlig dem Frau mit Knarre Klischee erlegen.

Es mag daran liegen, daß es tatsächlich unbequem war, weil wir uns relativ streng an eine Vorlage zu halten hatten. Ich habe Hans Jörg Mayer nochmal gefragt. Der sagte, daß das Foto vermutlich aus National Geographic stammt, Guerillakämpferinnen aus vermutlich Kolumbien. Hätte er mal als Vorlage für ein Bild verwendet und dann mit uns nachstellen wollen.

3. Das ist ja eigentlich etwas fürchterliches, dieses Klischee. Ein wenig wie die deutsche Truppe, die es nicht in Godards Weekend geschafft hat.

weiß nicht

4. In der „Make your own life“ Ausstellung, erhält es fast einen ikonographischen Charakter. Wie wurdest Du in den USA darauf angesprochen?

Ich wurde gefragt, wer denn die anderen seien.

Als das Foto damals gezeigt wurde, ist mir von 2 oder 3 amerikanischen Künstlern sowas gesagt worden wie: [ich wäre ja die einzige Dunkelhaarige und lediglich] ich sähe so aus, als könne ich wirklich jemand umbringen. – Sollte das ein Lob sein? Du meine Güte. Darüber habe ich mich nicht gefreut, nichtmal heimlich.

5. War darin Bewunderung oder Verwunderung?

Ich glaube, Michael Clegg war damals ehrlich fasziniert.

6. Repräsentiert es für Dich noch irgendwas? Das Köln 1991?

Das Köln Anfang der 90er Jahre wird, in dem Sinne wie ich es erleben durfte, ganz zu Recht glorifiziert. Es war aber für mich einfach ein biografisch enorm günstiger Zeitpunkt. Ich hatte für 2, 3, 4 Jahre das Gefühl, ich lerne ständig ganz tolle, einzigartige, lustige und kluge Leute kennen, die mit großem Ernst und großem Spaß gleichzeitig mit irgendwie undurchschaubarer, aber extrem wichtiger, neuer freier Arbeit beschäftigt waren, aber eher so im Vorbeigehen. Schöner hatte ich mir das Leben nicht ausmalen können!
Es war soviel da, was aufgenommen und verstanden werden wollte. Und es kamen scheinbar auch immer wieder Neue aus anderen Städten hinzu und alles schien rauschhaftes Hören, Sehen und Lernen, freies floaten. Für mich.

Es schien auch egal, was einer macht und wohin damit, wenn er sonst irgendwie gut war. Ob malern, schreiben und auch nur reden oder noch nichtmal reden, sondern nur rumsitzen. Es war so ideal, wie ich es gerade hier idealisiere. Ich hab ja eigentlich nichts gemacht zu der Zeit. Ich hatte ein oder zwei Gedichte veröffentlicht. Allerdings sehr gute, wie ich fand. Nebenher ging ich zur Universität Köln und suchte mir mein Begleitprogramm aus dem Angebot der Geisteswissenschaften zusammen. Da habe ich aber auch nichts groß gemacht, außer zuhören.

7. Vielleicht beschreibt es Differenzen und damit schon etwas Spezifisches für diese Zeit an diesem Ort.

Ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegangen, oder man hat gedacht: Differenzen und Streit sind ja nichts Schlechtes. Ich hatte damals fast jeden gern, wohl einfach, weil ich mich eingeladen fühlte und allseits gut behandelt wurde. Man wurde immer gefragt, ob man was machen will und ich hab auch öfter nein gesagt, das war ok. Ich hatte wohl gehofft, das ginge ewig so weiter. Das tat es dann nicht. Irgendwann wurde mir gesagt, ich müsse mich mal für eine „Seite“ entscheiden, das habe ich nicht begriffen. – Seiten? Warum? – More than this

8. Zu Gute halte ich dem Bild seine mutige Inszenierung, auch den Ernst darin. Ich denke, man bekäme heute weder dieselben noch eine andere Gruppe jüngerer Schaffender für so was zusammen.

Ja, die jungen Schaffenden. Wo sind die eigentlich?

9. Wo ich den Ernst anspreche, hat man sich nicht weggelacht bei dem Posen für das Bild?

Ich erinnere mich so, daß es schon Spaß machte, da im Garten von Jutta Koethers Eltern in Müngersdorf, aber es war eben auch Konzentration verlangt. Und man wußte vielleicht doch nicht so ganz, ob das jetzt sowas Tolles wäre, woran man sich beteiligte.

Ich kann mich leider an keine Diskussion mit den anderen Frauen darüber erinnern, vielleicht gab es eine. Die Sache mit den Maschinengewehren wurde ernst abgezogen. Ich weiß nicht mehr, wo die herkamen. Aber der Typ der die 5 Blechkisten brachte wo die drin waren, benahm sich schon etwas gravitätisch und paßte genau auf, wie wir die anfaßten. Nicole Neufert, die das fotografiert hat, sorgte auch für professionelle Stimmung und Hans Jörg ging es ja auch um was. Vielleicht daher der ernstere Ausdruck.

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